Die Gemeinwohl-Ökonomie ist ein nachhaltiges Wirtschaftsmodell bei dem die Verantwortung gegenüber Mensch und Umwelt im Mittelpunkt steht.
von Christian Walther
aktual. am 14.03.22
Lesezeit: 4-5 min

Gemeinwohl, im Sinne von Menschenwürde, Solidarität, Gerechtigkeit, ökologischer Nachhaltigkeit, Transparenz und Mitentscheidung stehen bei der Gemeinwohl-Ökonomie im Mittelpunkt. Wie in der freien Marktwirtschaft beruht sie auf privaten Unternehmen, strebt allerdings nicht die Maximierung von Gewinn an, sondern das größtmögliche Gemeinwohl für die gesamte Gesellschaft.

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Die Gemeinwohl-Ökonomie übersichtlich in eine Matrix dargestellt

Welche Ziele hat die Gemeinwohl-Ökonomie und wie ist sie entstanden?

Die 2008 erschienene Publikation "Neue Werte für die Wirtschaft - Eine Alternative zu Kommunismus und Kapitalismus" von Christian Felber stellt die 'Initialzündung' der Gemeinwohl-Ökonomie dar.

Im Kern geht es darum, dass nicht Egoismus, Konkurrenz und Materialismus im Mittelpunkt eines Wirtschaftssystems stehen sollten, sondern Kooperation, Selbstbestimmung und ökologische Verantwortung.

Eine Arbeitsgemeinschaft aus UnternehmerInnen von Attac Österreich entwickelten daraufhin die Gemeinwohl-Matrix, welche 2010 in der Erstausgabe der Gemeinwohl-Ökonomie veröffentlicht wurde.

Mittlerweile unterstützen knapp 4.000 Unternehmen, Schulen, Universitäten, Gemeinden und ganze Regionen das Wirtschaftsmodell der Gemeinwohl-Ökonomie und haben mit Hilfe der Gemeinwohl-Matrix eine Gemeinwohl-Bilanz erstellt. Sie ist dabei als ein qualitativer Indikator zu betrachten, der das gemeinwohlorientierte Handeln eines Unternehmens oder einer Organisation messbar macht.

Wie funktioniert die Gemeinwohl-Matrix?

Mit dem Modell der Gemeinwohl-Matrix lassen sich alle unternehmerische Tätigkeiten nach gemeinwohlorientierten Kriterien bewerten. Dadurch können Schwächen in der Organisationsstruktur identifizieren und weiterentwickelt werden.

Die Gemeinwohl-Matrix besteht aus vier gemeinwohlorientierten Werten und aus fünf Berührungsgruppen mit denen ein Unternehmen in der Regel in Kontakt kommt.

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Die Gemeinwohl-Ökonomie übersichtlich in eine Matrix dargestellt

Durch die Schnittpunkte der Werte und der Berührungsgruppen entstehen 20 Themen in der Gemeinwohl-Matrix, die in den meisten Fällen ein komplette Organisationstruktur abdecken können und somit die Basis für die Gemeinwohl-Bilanz sind.

Wie wird eine Gemeinwohl-Bilanz erstellt?

Ein Unternehmen oder eine Organisation kann eine Voll-Bilanz, eine Kompakt-Bilanz oder eine Bilanz für Kleinunternehmen erstellen und erfolgt grundsätzlich in folgenden drei Schritten:

  1. Bericht erstellen - Der Bericht kann entweder eigenständig, mit GWÖ Berater/-in oder in einer Peer-Gruppe erstellt werden, wofür gut aufbereitete Arbeitsmaterialien zum Download bereitstehen.
  2. externes Audit - Anschließend wir der Bericht durch ein GWÖ Audit oder einer Peer-Gruppe geprüft und in einer Bilanz bewertet.
  3. Bilanz veröffentlichen - Ab jetzt wird von einem bilanzierten Unternehmen gesprochen, welches seine Gemeinwohl-Bilanz veröffentlichen darf.

Für jedes der 20 Themen können maximal 50 Punkte vergeben werden und stellen zusammen die Gesamtbewertung dar, welche somit höchstens 1.000 Punkte erreichen kann. Gemeinwohlschädigende Praktiken können auch Minus-Punkte erhalten.

Eine Gemeinwohl-Bilanz verliert nach zwei Jahre ihre Gültigkeit und der gesamte Prozess muss erneut durchlaufen werden, was aber deutlich einfacher ist, da der Bericht lediglich angepasst und aktualisiert werden muss. 

Ist die Gemeinwohl-Ökonomie eine Utopie?

Die Frage, ob die Gemeinwohl-Ökonomie das Potential eines echten 'Gamechangers' hat und unser derzeitig gewinnorientiertes in ein gemeinwohlorientiertes Wirtschaftssystem transformieren kann, können wir leider nicht beantworten.

Aber ein Zitat vom Zukunftsinstitut könnte vielleicht weiterhelfen:

Die starken Marken von morgen übernehmen zunehmend gesellschaftliche Verantwortung!

zukunftsinstitut.de

Und hier haben wir noch ein paar Argumente für einen stetig steigenden und langfristigen Trend gesammelt:

  • Die Umsätze von Bio-Produkten haben sich von 2011 bis 2021 knapp verdreifacht.
  • Im gleichen Zeitraum haben sich Suchanfragen bei Google in Bezug auf 'Nachhaltigkeit' mehr als verdoppelt.
  • Mittlerweile bemüht sich nahezu jeder Konzern einen 'grünen Anstrich' zu bekommen, auch wenn es oft nur Greenwashing ist.
  • Die Folgen des Klimawandels werden von Jahr zu Jahr immer stärker sichtbar - auch vor Ort.
  • Eine ganze Fridays-for-Future-Generation wächst heran, für die der Klimawandel eine reale Bedrohung ihrer Zukunft darstellt.
  • Die Anzahl der bilanzierten Unternehmen, Schulen, Universitäten, Gemeinden und ganze Regionen wächst stetig.
  • Mittlerweile hat sogar die Landesregierung Baden-Württemberg für ihren staatseigenen Landesbetrieb 'ForstBW' eine Gemeinwohl-Bilanz erstellen lassen. 

Das Thema 'Nachhaltigkeit' ist mittlerweile in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen und unser gesamtes Konsumverhalten wird dadurch sukzessive und nachhaltig verändert.

Je mehr nachhaltige Produkte von gemeinwohlorientierten Unternehmen nachgefragt werden, desto wichtiger wird dabei - als bewährter Indikator und anerkanntes Zertifikat - die Gemeinwohl-Bilanz.

Unser Fazit:

Für uns ist die Gemeinwohl-Ökonomie ein sehr guter Ansatz unser jetziges Wirtschaftssystem ethisch korrekter, sozialer und nachhaltiger zu gestalten. Und das auf demokratischen Prinzipien basierend.

Auch wenn die Erstellung einer Gemeinwohl-Bilanz einen erheblichen Aufwand bedeutet, möchten wir mit dem Konsum Kollektiv diesen Weg gehen, um unser unternehmerisches Handeln ständig zu hinterfragen und nach gemeinwohlorientierten Kriterien messbar zu machen.

Unsere Firmenphilosophie basiert auf den 20 Themen der Gemeinwohl-Matrix und spiegelt das Arbeitsbuch einer Kompakt-Bilanz wieder. Da ein Unternehmen erst nach zwei aktiven Geschäftsjahren bilanziert werden kann, nutzen wir diese Zeit, um mit euch gemeinsam im Kollektiv unseren Gemeinwohl-Bericht zu erstellen.

Alle Berichtsfragen, Indikatoren und Ziele jedes einzelnen Themas haben wir in Kapitel strukturiert und in unserer Firmenphilosophie veröffentlicht.