Consumer die zeitgleich Producer sind heißen Prosumer. Sie beteiligen sich an der Entwicklung und Produktion von Gütern, um sie dann auch selbst zu konsumieren.
von Christian Walther
aktual. am 15.03.22
Lesezeit: 4-5 min

Erstmals wurde der Begriff Prosumer 1980 von Alvin Toffler in seinem Buch ‘Die dritte Welle - Zukunftschancen für eine Gesellschaft des 21. Jahrhunderts’ verwendet. Toffler versteht als Prosumer eine Person, die Produkte oder Dienstleistungen erzeugt und entwirft, um sie anschließend persönlich zu verbrauchen, also zu konsumieren.

Eine Person die in ihrem Garten Obst, Gemüse und Kräuter anbaut, um sich selbst zu versorgen, kann also im klassischen Sinn als Prosumer bezeichnet werden.

Welche Arten von Prosumer gibt es noch?

Seit 1980 haben sich natürlich viele Dinge in unserer Gesellschaft weiterentwickelt und mit dem Begriff Prosumer ist heutzutage nicht mehr nur der klassische Selbstversorger gemeint.

In folgender Auflistung sind die wichtigsten Bereiche anhand anschaulicher Beispiele erklärt:

  • Recycling
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    Verbraucher*innen, die Produkte aus recycelten Materialien wie Papier, Glas, Metall oder Plastik konsumieren und diese anschließend wieder dem Kreislauf als Wertstoff zuführen, sind automatisch ein Teil der Produktion. Denn durch das Trennen und Zurückführen der Rohstoffe wird eine neue Produktion von recycelten Materialien überhaupt erst möglich.

  • Software
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    Das wohl bekannteste Projekt freier Software ist das Betriebssystem Linux. Tausende Freiwillige, Non-Profit-Organisationen sowie Unternehmen beteiligen sich an der Weiterentwicklung des Betriebssystems und verwenden es zum größten Teil natürlich auch selbst. Entwickelnde sind somit immer automatisch Prosumer, da sie die Software, welche sie auch selbst verwenden, aktiv mitgestalten.

  • Solarenergie
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    Betreiber*innen von Photovoltaikanlagen, die den produzierten Strom in erster Linie als Eigenverbraucher selbst nutzen, sind automatisch auch immer Prosumer. Mit integrierten Speichersystemen und/oder intelligenten Stromnetzen kann der Anteil des Eigenverbrauchs bis zu 100% optimiert werden. Überflüssig produzierter Strom wird dabei in das öffentliche Stromnetz eingespeist und vergütet.

  • Social Media
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    Social Media wird nicht unbedingt auf den ersten Blick mit dem Konzept des Prosumers in Verbindung gebracht. Doch der von den Benutzer*innen generierte Inhalt (User-Generated-Content) ist die notwendige Grundlage aller Social Media Plattformen. Da soziale Medien also ausschließlich mit den Inhalten der Nutzenden funktionieren können, sind automatisch alle User*innen selbst Teil ihrer Plattform und somit auch Prosumer.  

  • Wissensdatenbanken
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    Das mit Abstand prominenteste Beispiel für Wissensdatenbanken ist das Open-Source Projekt Wikipedia. Zehntausende ehrenamtliche Autoren und Autorinnen verfassen, bearbeiten oder prüfen Artikel und sind somit Prosumer, da sie mit Sicherheit Wikipedia auch selbst für eigene Zwecke nutzen. 

Digitale Projekte als erfolgreiche Vorreiter?

Die gemeinschaftliche und offene Produktionsweise - speziell von digitalen Projekten wie zum Beispiel Linux, Wikipedia, Firefox oder Apache - wurde schon 2002 in dem Beitrag 'Coase´s Penguin' von Yochai Benkler als Commons-Based Peer Production bezeichnet. Diese wird dabei als dritte Produktionsweise beschrieben, welche sich sowohl von marktwirtschaftlichen als auch von planwirtschaftlichen Produktionen deutlich unterscheidet.

Der große Vorteil von rein digitalen Projekten ist die sehr einfache Möglichkeit der Beteiligung, da z.B. Publizierende zu jeder Zeit und von jedem Ort aus Artikel bearbeiten oder veröffentlichen können und dafür lediglich ein internetfähiges Endgerät benötigen. Darüber hinaus sind digitale Güter beliebig oft kopierbar bzw. nutzbar. Benkler ist deshalb auch der Ansicht, dass Peer-Production hauptsächlich für den digitalen und immateriellen Bereich relevant sei.

Können durch Peer-Produktionen auch materielle Güter hergestellt werden?

Der Fragestellung, wie Peer-Produktion von materiellen Gütern funktionieren kann, ist Christian Siefkes 2007 in seinem Buch 'Beitragen statt tauschen' nachgegangen. Er zeigt dabei einen Weg auf, wie materielle Produktion nach dem Modell Freier Software funktionieren kann.

Unter anderem schlägt er Auktionsmodelle vor, wie Aufgaben, Ressourcen, Aufwand und Produkte im Verhältnis stehen und somit gerecht verteilt werden können. Oder wie die zwei verschiedenen Perspektiven aus produzierender und konsumierender Sichtweise zusammengeführt werden können. Oder wie demokratische Entscheidungen zwanglos und durch schlanke Prozesse getroffen werden können.

Siefkes beschreibt die mögliche Entwicklung einer Bewegung - ähnlich einer Graswurzelbewegung - wie zahlreiche Peer-Produktionen von verschiedenen lokalen Gruppen selbständig organisiert werden und sich so diese Produktionsweise zu einem echten Wirtschaftssystem von unten her entwickeln kann: der Peer-Ökonomie.

Große oder komplexe Projekte können dann in sogenannten Verteilungspools von mehreren lokalen Gruppen gemeinsam organisiert werden, um Synergien zu nutzen.

Gibt es schon Prosumer-Projekte die materielle Güter herstellen?

Seit Juni 2019 gibt es die Initiative 'Du bist hier der Chef', die von Nicolas Barthelmé in Eltville am Rhein in Hessen gegründet wurde. Die VerbraucherInnen haben dabei die Möglichkeit Ihre Erwartungen und Präferenzen an Produkte in Online-Fragebögen zu äußern und bestimmen so relevante Produktmerkmale und damit den Verkaufspreis. Die Ergebnisse werden in einem 'Pflichtenheft' zusammengefasst und mit diesem werden Produzenten gesucht, welche bereit sind Produkte zu den festgelegten Bedingungen zu produzieren.

Die Initiative 'Du bist hier der Chef' fokussiert sich - im Gegensatz zum Konsum Kollektiv - ausschließlich auf landwirtschaftliche Produkte, wie Milch, Eier, Kartoffeln oder Joghurt. Wir haben uns dazu entschieden keine landwirtschaftlichen Produkte zu produzieren, da wir der Meinung sind, dass regionale Wochenmärkte schon ein breites Sortiment an hochwertigen und ökologischen Lebensmitteln in Bioqualität anbieten, es aber zum Beispiel noch keine nachhaltige und gemeinwohlorientierte Zahnpasta gibt.

Der zweite wesentliche Unterschied ist die Firmenstruktur: Die Prosumer der Initiative 'Du bist hier der Chef' haben zwar die Möglichkeit Produkteigenschaften mitzubestimmen, können aber nicht - zum Beispiel über eine Konsumgenossenschaft - Miteigentümer der Produkte und Markenrechte werden. Beim Konsum Kollektiv entstehen durch die gewählte Unternehmensstruktur im Gegensatz dazu 'echte Volksprodukte'.

'Du bist hier der Chef' hat auf jeden Fall bewiesen, dass Prosumer durchaus bereit sind sich an der Entwicklung von Produkten zu beteiligen und ist aus unserer Sicht eine echter Pionierin. Weiter so!

Unser Fazit:

Wir beschreiten mit dem Konsum Kollektiv einen neuen Weg aus Konsumierenden nicht nur Produzierende zu machen, sondern sie in alle unternehmerischen Prozesse einzubinden.

Bei uns haben ausnahmslos alle die Möglichkeit sich direkt und aktiv an Produktentwicklung, Firmenstrategie, Produktion oder am Vertrieb & Marketing zu beteiligen und Genossenschaftsmitglieder werden dabei sogar Miteigentümer der Produkte und Markenrechte.