Die Forderung nach Transparenz beherrscht den öffentlichen Diskurs. Unternehmen sehen sich vor die Frage gestellt: Informationsfreiheit oder Integrität?
von Eberhard A. Merk
aktual. am 10.11.22
Lesezeit: 5-6 min

Transparenz ist ein Reizthema, nicht nur in der Wirtschaft. Kaum ein anderer Gegenstand durchzieht so viele Bereiche unseres Zusammenlebens, wie die Forderung nach dem unverstellten, nackten Blick. Letztlich geht es dabei immer um die Möglichkeit und Rechtmäßigkeit des Zugangs zu und der Einsicht von erhobenen Daten.

Im Einzelfall ließe sich natürlich darüber streiten, ob und wie in welchem Bereich Transparenz hergestellt werden sollte, wer davon profitieren könnte und welche Risiken damit verbunden sind. Zu Ende gedacht, ausgehandelt und erprobt sind die sozialen und ethischen Implikationen der Forderung nach (mehr) Transparenz in den wenigsten Fällen.

Die Forderung nach Transparenz darf nicht in einer regelrechten Kontroll- und Überwachungsgesellschaft münden.

An einem Befund jedoch lässt sich nichts mehr ändern: Big Data ist längst Wirklichkeit. Wir leben in einer, vermehrt von Algorithmen strukturierten, Datenwelt.

Geheimnis? Gemeinwohl und Gerechtigkeit!

Konzerne und große Unternehmen unterliegen der gesetzlichen Publizitätspflicht. Das heißt, sie müssen wesentliche Informationen über ihre wirtschaftliche Entwicklung offenlegen. Leider beinhaltet diese Auskunftspflicht nur sehr grobe Rahmendaten und Kennzahlen. Diese Informationen lassen aber weder Rückschlüsse auf die Behandlung und Bezahlung der Mitarbeiter:innen zu, noch machen sie die Vertragsgestaltung mit Zulieferern nachvollziehbar. Von der Finanzierung, über den Produktionsprozess, die Lieferketten und das Personalmanagement bis zur Marktstrategie; die Kernelemente des unternehmerischen Handelns bleiben in der Regel geheim.

Nicht wenige dieser Unternehmen scheuen (zurecht oder zu unrecht?) die mit einer Offenlegung aller Betriebsdaten einhergehende Veränderung der Verbraucherentscheidungen sowie ein gewisses Reputationsrisiko. Dennoch zeigen sich gerade die großen Konzerne nur allzu gerne bereit, der Forderung nach (mehr) Transparenz nachzukommen. Das heißt, sie lassen sich von pfiffigen PR-Agenturen ein neues Marketing verpassen und verstecken ihre dunklen Geheimnisse hinter einem ausgeklügelten Produktdesign. In den allermeisten Fällen handelt es sich hierbei jedoch um reine Augenwischerei oder plumpes Greenwashing.

In der heutigen Wissens- und Netzwerkgesellschaft entscheidet die Fähigkeit zur Kenntnisnahme, Verarbeitung und Manipulation von Daten jeglicher Art über die Verteilung von Macht.

Ob diese Macht nun in tatsächliche Herrschaft mündet oder nicht, als Ausdruck der gesellschaftlichen Verhältnisse beinhaltet sie immer auch eine moralische Verpflichtung. Produktinformationen sind daher kein Selbstzweck, sondern dienen dem Gemeinwohl und können, gemäß des sogenannten Befähigungsansatzes, mithin die soziale Gerechtigkeit befördern und die sozial-ökologische Transformation beschleunigen.

Zum Verhältnis von Marktgewissen und Transparenz

Verantwortlich für die Furcht der Konzerne vor dem Reputationsrisiko ist nicht zuletzt die herrschende, marktliberale (Betriebs-)Wirtschaftslehre. Mehr Transparenz ist hier nicht vorgesehen. Das wirkt umso irritierender, berücksichtigt man den Anspruch des Marktliberalismus, wonach die Preise, die in einem Markt erzielt werden, sämtliche vorhandene Informationen reflektieren. Demzufolge sind ideale Märkte ohne volle Transparenz eigentlich gar nicht denkbar. Es liegt jedoch auf der Hand, warum gewisse Daten nicht bereitgestellt werden.

Die gängigen Regeln des Wirtschaftens entbehren beinahe jeglicher Moral.

Auf dem Altar der effizienztheoretisch begründeten Habgier und des hehren Profits opfern Unternehmen nicht selten ihre Integrität. Eine gewisse Scham, das schlechte Gewissen und die Angst vor der Souveränität der Verbraucher:innen verunmöglichen Transparenz.

Kleinere Firmen hingegen können sich den Aufwand der Datenerhebung oftmals gar nicht leisten oder sind aufgrund ihrer weniger rationalen Betriebsstrukturen nicht in der Lage, den Forderungen nach mehr Transparenz nachzukommen.

Flucht nach vorn: Informationen sind keine Konfliktrohstoffe, sondern die Basis für Vertrauen

Im Rahmen des Befähigungsansatzes und einer moralischen Ökonomie schließen sich Informationsfreiheit und Integrität keineswegs aus. Für gemeinwohlorientierte Unternehmen gehört Transparenz daher zu den Grundlagen des Wirtschaftens und bedeutet bis zu einem gewissen Grad Ehrensache.

Es ist nicht nötig, jede betriebsinterne Email zu veröffentlichen, um Vertrauen und Integrität zu gewährleisten. Sowohl die Beleg- als auch die Kundschaft sollen anhand möglichst aussagekräftiger Informationen in die Lage versetzt werden, sich ein umfassendes Bild über Ziele und Mittel der Unternehmensentwicklung zu machen. In diesem Sinne ermöglicht und garantiert Transparenz eine gleichberechtigte, authentische Verständigung über Sinn und Zweck sowohl unseres Wirtschaftens, als auch unseres Zusammenlebens.  

Unser Fazit:

Das Konsum Kollektiv veröffentlicht regelmäßig alle relevanten Zahlen und Daten, alle Strategiepapiere und Konzepte sowie die Methoden und Resultate der Entscheidungsfindung, wie etwa die Ergebnisse von Abstimmungen. Wir sind davon überzeugt, dass Transparenz und der unverstellte Blick hinter die Kulissen Vertrauen schafft und dazu animiert, nach festen moralischen Grundsätzen zu handeln.

Der transparente Umgang mit Daten und Informationen bürgt für Fairness und Gerechtigkeit. Nur gemeinsam finden wir eine Antwort auf die Frage, in welcher Welt wir leben wollen.

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